Wie groß ist die Zeitdehnung?
Nehmen wir einen 100 Meter hohen Turm. Eine Uhr an der Turmspitze läuft dann um eine Winzigkeit schneller als
eine Uhr am Boden. Wir müssten etwa 3 Millionen Jahre lang warten, bis die obere Uhr um eine Sekunde vorgeht.
(Aber diese Winzigkeit genügt, Gegenstände aus dieser Höhe auf den Boden fallen zu lassen.)
In unserem Sonnensystem ist die Zeitdehnung auf der Sonnenoberfläche am größten. Eine Uhr dort würde - wie wir
schon festgestellt haben - alle 5 1/2 Tage um 1 Sekunde gegenüber der Standarduhr nachgehen. Diese insgesamt
sehr geringe Zeitdehnung zeigt sich auch im Maßfaktor. Er weicht überall im Sonnensystem nur wenig vom Wert 1 ab.
So beträgt er an der Sonnenoberfläche 0,999998.
Wie groß ist die Raumdehnung?
Auch der Raum selbst ist in Sonnennähe nur sehr gering gedehnt. Auch der Maßfaktor des Raumes weicht im
Sonnensystem nur wenig vom Wert 1 ab. An der Sonnenoberfläche beträgt er 1,000002.
Die Maßfaktoren von Raum und Zeit ähneln einander in ihrer Größe. Wie kann es dann aber sein, dass sie sich so unterschiedlich stark auswirken?
Wie wir gesehen haben, lässt die Zeitdehnung Satelliten um einen zentralen Himmelskörper kreisen. Die Raumdehnung dagegen bewirkt, dass sich diese Umlaufbahnen nicht mehr schließen. Wir haben dies am Beispiel des Merkur kennengelernt: Immerhin wird er durch die Zeitdehnung um über 100 Millionen km von der einen Seite der Sonne zu der anderen abgelenkt (statt "geradeaus" zu fliegen). Die Raumdehnung ist dagegen nur für weitere 30 km verantwortlich.
Woran liegt das?
Je langsamer sich etwas unter der Zeit- und Raumdehnung bewegt, desto stärker ist der Griff der Zeitdehnung.
Betrachten wir einen Gegenstand, der sich mit einer bestimmten Geschwindigkeit bewegt. Das Verhältnis des
Einflusses der Zeitdehnung zu dem der Raumdehnung auf diesen Gegenstand entspricht dem Verhältnis der
Lichtgeschwindigkeit zu der Geschwindigkeit des Gegenstandes. Deshalb ist der Einfluß der Raumdehnung auf
den Planeten Merkur nur durch sorgfältige Beobachtungen zu erkennen.
Erst für einen Lichtstrahl ist dieses Verhältnis 1:1. Somit greifen Zeit- wie Raumdehnung gleich stark die
Geodäte des Lichtes. Die Ablenkung eines Lichtstrahls ist durch beide Dehnungen gleich groß.
Deshalb ist die Einsteinsche Vorhersage der Lichtablenkung doppelt so groß wie die Vorhersage zum Beispiel
von Soldner.
Es ist aber unsere Gewöhnung an die Phänomene der Zeitdehnung, die uns den Fall eines Apfels, den Umlauf des Mondes um die Sonne und die Gezeiten des Meeres, die Bewegung der Erde um die Sonne so unspektakulär erscheinen lässt.