Teil II: Flachland, Bemerkungen zu Kapitel 7

Exkurs: das Foucaultsche Pendel

Was der Kreiselkompass für unsere Raumzeit, ist zum Beispiel das Pendel für unseren Titelhelden. Das Pendel muss natürlich so aufgehängt sein, dass es seine Schwingung ungehindert ausführen kann, auch wenn sich die Aufhängung dreht.

ein Pendel auf dem Wagen Unser Titelheld stellt also dieses Pendel auf einen Wagen und fährt eine geschlossene Kurve. In Bezug auf den Wagen dreht sich das Pendel einmal um 360 Grad, in bezug auf einen Fixpunkt im Gelände dreht sich das Pendel nicht.
Umrundet nun unser Titelheld mit diesem Wagen das Objekt, bleibt ein Winkel offen. Das ist die geodätische Präzession, wie wir sie auch im vorherigen Kapitel veranschaulicht haben (vgl. Kapitel 7d: Geodätische Präzession)

Dieses anschauliche Modell der geodätischen Präzession durch ein Kegelmodell erlaubt uns eine relativ einfache Ableitung der Drehung des Foucaultschen Pendels:
1851 ließ Léon Foucault in der Kuppel des Pantheon in Paris ein 60 m langes Pendel aufhängen. Während das Pendel hin und her schwang, drehte es sich langsam. Genauer, seine Schwingungsebene drehte sich in etwa 32 Stunden einmal um 360 Grad.
Warum dreht sich das Pendel überhaupt? Weil sich "eigentlich" (vgl. Beispiel und Bild oben) die Erde unter ihm wegdreht und das Pendel versucht, seine Schwingungsebene (bezogen auf einen Fixpunkt außerhalb der Erde) beizubehalten.
Warum braucht es aber am Nordpol genau 1 Tag, in Paris etwa 32 Stunden, anderswo soundso viel Stunden? Das zeigt uns das Kegelmodell...

Dass das Pendel von der Erdoberfläche mitgeführt wird, statt dass wir es auf einem Wagen um die Erde führen (wieder nur eine Bezugssystemfrage, zumindest für unser Gedankenmodell), tut der folgenden Überlegung keinen Abbruch.

viele Kegel auf der Erdkugel Für jeden Weg des Pendels um die Erde, können wir einen Kegel konstruieren, der die Erdkugel gerade an diesem Weg (tangential) berührt. Je steiler bzw. höher der Kegel, desto größer ist der Winkel, der beim Umrunden offen bleibt. Desto länger dauert es dann auch, bis sich das Pendel in bezug auf den Wagen (d.h. realiter in Bezug auf die Erde) vollständig gedreht hat.



Jetzt noch an die Berechnung!

ein Kegel auf der Erdkugel R' der Radius des Kreises, der durch den (abgerollten) Kegel gebildet wird (von der Kegelspitze bis zum Weg des Pendels, nicht weiter natürlich)

R* der Radius des Kreises aus dem tatsächlichen Umfang am Breitenkreis (am Nordpol null, am Äquator gleich R)

R der Radius der Erdkugel

psi die geographische Breite

Es gilt: cos psi gleich R* / R und tan (pi/2 - psi) sowie Winkel R,R' 0 pi/2

Der Umfang des Kreises, auf dem das Pendel geführt wird, ist tatsächlich 2piR*, das Pendel erwartet aber nach seinem Weg, den es geführt wird, ein 2piR' (so ja die Kegelkonstruktion). Auf diesen Umfangunterschied von 2pi(R' - R*) reagiert nach unseren Überlegungen das Pendel mit einem offenen Winkel (denken Sie zunächst an einen Weg nahe dem Nordpol, wo der Kegel sehr flach und der verbleibende offene Winkel sehr klein ist).

Der offene Bogen ist damit gegeben durch
Bogen=2 pi (1 - sin psi)
Das Pendel hat sich damit jeweils erst um 2 pi (1 - sin psi) gedreht.

Das Foucaultsche Pendel dreht sich, weil sich die Erde dreht. Es dreht sich, wie es sich dreht, weil die Erde eine Kugel ist.

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Die Allgemeine Relativitätstheorie, leicht verständlich erzählt - © Martin Kornelius 2016