Teil II: Flachland, Bemerkungen zu Kapitel 7

Geodäten

Betrachten wir ein Raumzeit-Gebiet, das wir mit der Minkowski-Metrik (vgl. Kapitel 4c: Metriken für die Raumzeit: die Minkowski-Metrik) beschreiben können. Eine solche Raumzeit ist weitab von allen Himmelskörpern realisiert.
Die Bewegung eines Körpers in diesem Raumzeit-Gebiet, der keinen Kräften unterworfen ist, können wir sehr einfach beschreiben: als eine geradlinig gleichförmige Bewegung.
Wirkt keine Kraft auf diesen Körper, sagen wir dazu auch: er befinde sich im freien Fall (diese Sprechweise wird noch klarer werden). Ein Körper im freien Fall bewegt sich (gleichförmig) auf einer Geraden.

Der Körper befinde sich nun in einem Raumzeit-Gebiet mit einem Himmelskörper. Wieder wirke keine Kraft auf ihn. (Achtung: die Gravitation sehen wir nicht mehr als Kraft an, sondern als Auswirkung einer "deformierten" Raumzeit-Struktur!). Der Körper befindet sich also weiterhin im freien Fall. Der Begriff der Geraden, wie wir ihn im ersten Fall verwendet haben, ist nun aber nicht mehr sinnvoll. Den Zusammenhang mit dem freien Fall leistet besser der Begriff der Geodäten (griech. Geodäsie: Erdverteilung):

Körper, die frei fallen, auf die also keine Kraft wirkt, bewegen sich auf Geodäten.
Die Gerade in der Minkowski-Raumzeit ist dann ein Spezialfall einer Geodäten.
Um einen frei fallenden Körper von seiner Geodäten abzubringen, muss eine Kraft aufgewendet werden.

Kleines (anderes) Beispiel: Der vom Baum fallende Apfel bewegt sich vom Moment des Fallens an bis zum Aufschlag auf den Boden auf einer Geodäten. Der Boden hindert den Apfel daran, seiner Geodäten weiter zu folgen. Welche Kraft der Boden dafür aufwenden muss, können wir erkennen, wenn wir den Apfel in der Hand halten. Der in unserer Hand ruhende Apfel bewegt sich nicht-geodätisch.

Ist die Metrik eines Raumzeit-Gebietes gegeben, kann die Geodäte berechnet werden. Das mathematische Verfahren hierzu führt auf eine Gleichung, die Geodätengleichung heißt.

Vergleichen wir diese Gleichung (ohne sie hier aufzuführen) mit der Newtonschen Bewegungsgleichung, so stellen wir fest, dass zu dieser herkömmlichen Bewegungsgleichung nun Elemente hinzugekommen sind, die die verwendete Metrik charakterisieren (diese Elemente sind im Wesentlichen die sogenannten Christoffelsymbole). Diese Elemente verschwinden, wenn wir die Geodätengleichung für die Minkowski-Metrik in kartesischen Koordinaten aufstellen (und führen so auf die Gerade als Weg des Körpers).
Andererseits präsentieren diese Elemente aber auch die "Verbiegung" der Geodäten infolge einer gekrümmten Raumzeit - falls die Raumzeit tatsächlich gekrümmt ist..

Dieser Sachverhalt, dass wir anhand der Geodätengleichung nicht so einfach entscheiden können, ob die "darunterliegende" Raumzeit gekrümmt ist - oder eben nicht - entspricht dem in Kapitel 4f (vgl. Kapitel 4f: Zusammenfassung: Riemannsche Metriken) Angesprochenen. Dort war es die Diskussion um die Minkowski-Metrik, die zur Einführung der "Krümmung" veranlasste.

Um anhand von Geodäten ablesen zu können, ob die Raumzeit gekrümmt ist, müssen wir statt der einen einfach zwei Geodäten heranziehen und beobachten, wie sich diese zueinander verhalten. Dies führt zur sogenannten "geodätischen Abweichung" (oder der "geodätischen Deviation") und - was nicht verwundert - zu einer Messmethode für die Raumzeit-Krümmung.

« Zurück zur Geschichte, Kapitel 7

Weiter in den Bemerkungen »

Die Allgemeine Relativitätstheorie, leicht verständlich erzählt - © Martin Kornelius 2016