Teil II: Flachland, Bemerkungen zu Kapitel 6

Gezeiten

Das physikalische Pendant der Krümmung muss ebenso wie diese unabhängig vom Bezugssystem (beobachtbar) sein. Anders als bei der Raumzeit-Dehnung, die wir durch einfachen Bezugssystemwechsel aus- und anschalten können, ist dieses gesuchte physikalische Pendant ein Zeichen dafür, dass die Raumzeit des beobachteten Gebietes gekrümmt ist.

Wir haben im letzten Kapitel einen solchen Effekt schon kennengelernt, in der frei fallenden Fahrstuhl-Kabine.
Erweitern wir nun aber das dort vorgestellte Experiment, indem wir sechs Kugeln darin schweben lassen. Was können wird in dieser Kabine beobachten?
Die Kugeln (1) und (2) bzw. (3) und (4) wandern aufeinander zu. Die Kugeln (5) und (6) dagegen streben voneinander weg. Dies ist der sogenannte Gezeiteneffekt.
Das Voneinanderwegstreben heißt natürlich nicht, dass sich die obere Kugel von der Erde entfernt (die gesamte Kabine fällt ja!). Aber sie bleibt gegenüber den anderen Kugel immer ein bisschen weiter zurück. Denn im Vergleich zu diesen befindet sie sich je in einem Gebiet geringerer Krümmung. Entsprechend umgekehrt verhält es sich mit der unteren Kugel.

Die Gezeiten gibt es auch im Newtonschen Bild der Schwerkraft. Dort sind sie eine Begleiterscheinung der Schwerkraft. Im neuen Einsteinschen Bild dagegen weisen sie auf die wesentliche Eigenschaft der Raumzeit hin, auf deren Krümmung. Die Schwerkraft lässt sich durch Wechsel des Bezugssystems ausschalten (so in der frei fallenden Kabine - Äquivalenzprinzip!). Die Gezeiten dagegen erscheinen in jedem Bezugssystem - sofern die Raumzeit gekrümmt ist. Schwerkraft lässt sich durch Wechsel des Bezugssystems künstlich hervorrufen (so in der beschleunigten Kabine). Ist die Raumzeit nicht gekrümmt, treten in keinem Bezugssystem Gezeiten auf.

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Die Allgemeine Relativitätstheorie, leicht verständlich erzählt - © Martin Kornelius 2016