Lesungstext Auslegung zu Mt 25,14-30
(33. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A, 2017)

„Du bist ein schlechter und fauler Diener!“
So haben wir das eben gehört. Und weiter:
„Werft den nichtsnutzigen Diener hinaus in die äußerste Finsternis!“
Also doch wieder eine Drohbotschaft statt einer frohen, froh-machenden Botschaft?

Matthäus, der Evangelist, stellt hier tatsächlich sogenannte Gerichtsreden zusammen. Vor dem Text, den wir heute gehört haben, lässt er Jesus das Gleichnis der 10 Jungfrauen erzählen. 10 Jungfrauen warten auf den Bräutigam - von denen 5 so töricht sind, nicht rechtzeitig für das Öl ihrer Lampen zu sorgen – und dann draußen in der Nacht bleiben müssen.
Und gleich nach dem heutigen Text folgt die große Gerichtsrede Jesu. "Was ihr meinen geringsten Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan." Und auch hier wieder: die einen werden das ewige Leben erhalten, die anderen sind verstoßen.

Also, was will Matthäus damit?
Für Matthäus ist es wichtig, den Ernst der Nachfolge herauszustellen.
* Ernst nehmen, dass das Leben in der Nachfolge Jesu nicht vertrödelt werden darf.
* Ernst nehmen, dass – wie wir es im heutigen Evangelium gehört haben - nicht aus falscher Angst nur auf Sicherheit gebaut wird, der Schatz des Glaubens also quasi vergraben wird.

Der Clou im heutigen Evangelium ist ja, dass der dritte Diener, von dem wir gehört haben, also der nichtsnutzige, schlechte und faule Diener, dass dieser ja gar nicht verantwortungslos handelte. Geld zu vergraben, das war zurzeit Jesu durchaus eine sichere Methode, es zu bewahren. Das Vergraben des Geldes war also nicht verantwortungslos, aber es war ängstlich und kleinmütig.

Was heißt das nun für uns?
Natürlich, auch wir sollen das Leben nicht vertrödeln, nicht mutlos und ängstlich durch das Leben gehen. Sondern dieses Vermögen – die „Talente“, wie es im Evangelium heißt – so einsetzen, dass es sich mehrt.

Aber was meint das? Was ist dieses Vermögen, das da übergeben wird?
Wir müssen natürlich aufpassen, dass wir nicht vorschnell das hier verwendete Wort „Talente“ missverstehen. Das Gleichnis erzählt von Geld, „Talent“ ist einfach eine sehr große Menge Geld. Wie Matthäus es verstanden haben möchte, macht er im nächsten Abschnitt deutlich. "Was ihr meinen geringsten Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan."

Darin zeigt sich also der Ernst der Nachfolge, in unserer Mitmenschlichkeit, unserer Achtsamkeit und Menschenfreundlichkeit dem Anderen gegenüber. Es geht dabei also um etwas Grundlegendes. Es geht - wenn wir dieses Wort „Talent“ doch aufgreifen wollen - um das Grund- Talent für uns Christen, es geht – schlicht - um die Liebe zum Nächsten – zum Nächsten, der mir dadurch zum Bruder und zur Schwester wird. Und in dem dadurch Jesus selbst gegenwärtig wird.

Unsere Fähigkeit zur Liebe ist das, was uns für das Leben mitgegeben wird, was Gott in unsere Hände gibt, ganz nach unseren Fähigkeiten. Und diese Liebe wächst, sie vermehrt sich, wenn sie weitergeschenkt wird.

Und so gesehen ist das heutige Evangelium auch eine Verheißung – wie ja so vieles im Evangelium eine Verheißung ist. Die Verheißung, dass ich diesen kostbaren Schatz, der mir durch die Liebe Gottes und die Liebe der Menschen um mich herum in die Hände gelegt wird, einfach durch Weiterschenken vermehren kann. Liebe wächst durch Lieben.

Seien wir also nicht ängstlich und mutlos, vergraben wir nicht unsere Liebe. Seien wir mutig in unserem Glauben, mutig in unserer Hoffnung, mutig in unserer Liebe.

Ich möchte noch einen weiteren Gedanken hineinbringen.

Uns ist ja nicht nur die Freude in die Hände gegeben, nicht nur die Liebe, sondern – wie ja allen Menschen – auch das Leid: der Schmerz, die Wunden, auch die Last und Bedrängnis des Herzens. Oft tragen wir andere, manchmal gern, manchmal aber auch nur mit Mühen.

Wir Christen glauben, dass auch darin die Liebe wachsen kann, vielleicht viel unscheinbarer, viel verborgener als sonst. Und vielleicht ist dies auch die tiefste Weise, wie Liebe sich mehren kann, indem wir einander tragen und auch den eigenen Schmerz tragen.
Und auch hier dürfen wir vertrauensvoll sagen: dieser Schmerz und diese Wunde, diese Last und diese Bedrängnis ist mir anvertraut, ist meinem Herzen anvertraut. Nach meinen Fähigkeiten, dem einen 5-fach, dem anderen 2-fach. Damit daraus die Liebe wächst, 2-fach und 5-fach.

Und doch, stehen wir oft nicht mit leeren Händen da? Mit leerem Herzen?

„Mein Gott, sieh, so viel hast du mir anvertraut und ich habe mich bemüht, die Liebe weiterzuschenken, die du in mein Herz gegeben hast. Und die Last zu tragen, die du mir anvertraust hat. Doch nun ist mein Herz leer, meine Hände sind ermattet. Ja, ich habe gewagt, was mir möglich war - wie die Diener, denen du das 2- und das 5-fache anvertraut hast. Doch sieh her, ich habe nichts mehr übrig, alles ist mir zerronnen.“

Wird nicht unser Gott und Herr uns beiseite nehmen und zu uns sagen: „Mein Kind, du bist an das Geheimnis der Liebe gekommen. Denn am Grunde dieser Leere, in der Tiefe deines müden Herzens, da warte ich auf dich. Du hast alles gewagt und nun wirst du alles gewinnen. Ich selbst werde dein Herz wieder füllen, mit der Fülle der Freude und der Liebe.“

© Martin Kornelius