„Seid wachsam, denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.“
Es ist noch nicht lange her, dass Jesus Christus am Kreuz starb und wieder auferstand. Jetzt drängt die Zeit, denn das verheißene Ende der Welt ist nahe. Ja, noch zu Lebzeiten wird es geschehen. Die junge christliche Gemeinde erwartet die baldige Wiederkunft ihres Herrn, als Weltenrichter. Deshalb gilt es, vorbereitet zu sein, auf das Kommen des Herrn. Wachsam zu sein, dass einem während der Wartezeit nicht das Licht ausgeht, damit man schließlich mit Jesus Christus, dem Bräutigam, zusammen in die Welt Gottes einziehen kann.
Diese Eile ist uns fremd. Nein, mit einem baldigen Weltenende, mit dem Kommen des Weltenrichters, da rechnen wir nicht mehr. Nein, nicht wirklich.
Wir schauen auf das eigene Leben: Wie kann mein Leben gelingen? Was kann ich tun, damit es erfolgreich ist? Das beginnt bei Ratgebern für Haus und Garten, über Kindererziehung und Partnerschaft, den beruflichen Erfolg bis hin zur ärztlichen Rundumversorgung. Jeder ist seines Glückes Schmied – und wir schmieden kräftig und fleißig.
Und dann passiert es, Krankheit, Arbeitslosigkeit, ein Unfall. Manchmal bricht eine Krise ja gerade dort aus, wo wir sie am wenigsten erwartet haben. Und manchmal genügt es, dass Erwartungen zusammenbrechen, dass ein Lebensplan sich nicht mehr verwirklichen lässt. Oder wir merken, dass wir den Ansprüchen nicht mehr gerecht werden können. Dass uns das Leben wie ein Mühlrad zerreibt, wir ausbrennen, bis zur Erschöpfung.
Genügt jetzt meine Kraft, das durchzustehen? Habe ich genügend Energie, ja Licht und Wärme in mir, um durchzuhalten, bis sich wieder eine Tür öffnet? Es kann zu spät sein, wenn man erst in der Krise nach den eigenen Kraftquellen sucht.
Das kann uns diese Geschichte von den Jungfrauen sagen: Seid wachsam! Achtet darauf, wenn eure Energie zu Ende geht, und sorgt rechtzeitig dafür, dass die „entleerten Speicher“ wieder gefüllt werden. Bevor ihr ausgebrannt seid, bevor eure Kraft zu Ende geht. Achtet also wachsam darauf, ob - um im Bild unserer Geschichte zu bleiben - genügend Öl in eurem Lebenslicht gespeichert ist oder ob Nachschub gebraucht wird.
Aber da ist – natürlich – noch mehr.
Das Öl ist ja nicht Selbstzweck, damit wir reibungsloser funktionieren. Nein, es geht um die Hochzeit, um den Bräutigam. Das will uns die Geschichte ebenfalls sagen: Lebe dein Leben von seinem Ende her.
Was ist wichtig in deinem Leben? Welcher Sinn treibt dich an? Vom Ende her gesehen bekommt die Gegenwart einen anderen Sinn. Andere Orientierungen werden wichtig als die Sorge für das eigene Wohlbefinden, als der Erfolg, der sich in Geld messen lässt. Wir erkennen die Dinge, die wichtig sind, und die, die weniger wichtig sind; die, die uns wirklich weiterhelfen und die, die unsere Entwicklung blockieren.
Was macht mich wirklich heil? Was gibt meinem Leben Licht und Wärme? Bin ich wirklich bereit für den Ruf des Bräutigams?