Lesungstext Auslegung zu Mt 1,18-24
(Wortgottesfeier zum 4. Advent 2019, Lesejahr A)

Für diese Auslegung wurden auch ein Bierglas, ein Teelicht (batteriebetrieben) und ein schwarzes Tuch verwendet. Dass ein Bierglas verwendet wird, kann kurz gesagt werden.

In der Zeit der jungen Kirche – gerade mal recht 100 Jahre, nachdem unsere vier Evangelien niedergeschrieben worden waren – gab es in der damaligen Zeit des römischen Reiches eine große spirituelle, eine geistige Bewegung – wir würden heute sagen: eine esoterische Bewegung. Mit Versatzstücken aus der Philosophie, aus den Religionen dieser Zeit, mit zum Teil auch recht seltsamen Ritualen – und eben zentrale Gedanken aus dem noch jungen Christentum. Das war nicht ungefährlich für die junge Kirche, war sie selbst doch noch am Ringen mit dem, was mit Jesus geschehen war. Jesus: Mensch? Gott? Beides? Und was ist der Mensch? Wie ist das mit der Erlösung?

Ein zentraler Gedanke dieser spirituellem Bewegung: der Körper des Menschen ist wie dieses Glas ein Gefäß - und zwar ein Gefäß für die Seele.
** Glas zeigen
Klingt schön, nicht wahr? Aber es ist abwertend gemeint, der Körper ist ein Gefäß als dunkles Gefängnis, als dunkler Kerker. Ja, die ganze Welt ist der Kerker für die arme Seele.
** Schwarzes Tuch ins Glas stecken
Diese Seele ist wie ein Lichtfunke gefallen aus der himmlischen Heimat, der Seligkeit – und nun gefangen in diesem Körper. Ganz verwirrt, ja getäuscht, vom bösen Gott dieser dunklen Welt. Da kommt die Lichtgestalt des Christus - von oben - und zeigt der armen Seele, wo ihre Heimat ist, öffnet ihr die Augen. Jetzt weiß sie wieder, wo die Heimat ist. Ja, sie ist nicht von dieser Welt - und so sehnt sie sich danach, heimkehren zu können, in den Himmel.
Sie merken, unsere christlichen Vorstellungen seltsam verbogen.

Irenäus, der Bischof von Lyon, Zeitgenosse dieser esoterischen Bewegung, schreibt gegen diese Vorstellungen an. Nein, so Irenäus, diese Welt ist nicht böse, vor allem kein Kerker. Denn wie es am Anfang unserer Bibel heißt: sie ist gut geschaffen, auch der Mensch, „sehr gut“ – wie es dort heißt.
Und der Mensch zerfällt auch nicht in einen schlechten und einen guten Teil, einem dunklem Kerker, dem Körper, und einer lichten Seele, die darin gefangen wäre. Nein, der Mensch ist Seele. Als lebendiges, als beseeltes Wesen ist er erschaffen.

Und in diesem Menschen, in uns, möchte Gott mit seiner Liebe sein. Wie in einem Tempel – so schreibt es Paulus in einem Brief an die Gemeinde in Korinth: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt“.
Da passt dann auch – so Irenäus – das Bild des Gefäßes: Nicht ein dunkler Körper als Gefäß für eine lichte Seele. Nein, der Mensch selbst ist Gefäß für Gott. Gott möchte den Menschen mit seiner Liebe erfüllen, mit seiner Freude – mit dem Heiligen Geist, wie wir es nennen.
** Tuch aus Glas nehmen
Dazu ist der Mensch erschaffen, Gefäß der Liebe zu sein: Liebe empfangen und geben, aufnehmen und ausschenken; und eben Gefäß der göttlichen Liebe sein.
Das Licht Gottes will uns Menschen erfüllen.
Natürlich können wir uns dieser Liebe, diesem Licht verschließen, dann bleibt es dunkel in uns. Und natürlich können wir uns selbst mit allerlei Schund auffüllen – und tun es ja auch oft genug.
** Mit Hand kurz Glas abdecken

Jetzt sind wir bei Weihnachten und dem Evangelium. Dieses „Erfülltwerden“ bekommen wir selbst nicht hin. Wir haben ja schon Probleme, uns dem Geist Gottes, seinem Licht auch nur zu öffnen. Deshalb kommt Gott in unsere Welt, wird Mensch, d. h. er wird selbst Gefäß – um den Menschen für sein Licht zu öffnen.
Ja, Jesus ist wahrhaftig Immanuel, „Gott mit uns“, wie wir es eben im Evangelium gehört haben – damit „Gott in uns“, der Heilige Geist mehr und mehr werden kann. Wir mehr und mehr und immer wieder neu vom Licht des guten Gottesgeistes, des Heiligen Geistes, erfüllt werden können.
** Teelicht in Glas

Jetzt sind wir bei Maria. Mit uns gemeinsam hat Maria – natürlich - diese Ur-Berufung des Menschen, dass der Heilige Geist, der Geist der Liebe und des Lebens sie erfülle. Aber darüber hinaus hat sie auch eine ganz eigene, eine einzigartige Berufung: das reale Menschsein unseres Gottes zu ermöglichen. Das heißt für Maria: ihn, Gott, aufzunehmen, mit ihm, Gott, schwanger zu werden, ihn als Kind zu tragen und auf die Welt zu bringen. Deshalb können wir uns Maria auch nicht anders vorstellen, als „voll der Gnaden“, als vom Geist erfüllt, gesegnet unter allen Menschen.

Durch das Ja von Maria zu ihrer einzigartigen Berufung können auch wir unserer Ur-Bestimmung nachkommen:
Denn Jesus, der „Gott mit uns“, der Immanuel, macht es möglich, dass Gott in uns mehr und mehr wird, jetzt noch anfangshaft und immer wieder neu, bis er uns schließlich ganz erfüllen wird, wenn wir am Ende unserer Zeit in Gottes Arme hineinfallen – und Weihnachten auch für uns zur Erfüllung kommt.

© Martin Kornelius