“Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.“
So tritt Jesus auf, bald nachdem Johannes der Täufer verhaftet worden war.
“Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.“
Was für ein Anspruch – aber wo ist das Reich Gottes zu sehen?
Natürlich heilt Jesus Kranke - aber ist nicht die ganze Welt krank? Jesus treibt böse Geister aus - aber ist nicht die ganze Welt wie von einem bösen Geist besessen?
Wo bleibt denn das Reich Gottes? Was ist davon zu sehen?
Darauf antwortet Jesus mit seinen heutigen Gleichnissen.
Ja, dieser Anfang mag noch so unscheinbar sein, klein eben wie der Same des Senfkorns, das - wie es im Evangelium heißt - „das kleinste von allen Samenkörnern [ist]“. Aber es wird „größer als alle anderen Gewächse“ sein.
Und dieses Reich Gottes wird auch unaufhaltsam kommen, das ist – so wieder im Evangelium - „wie wenn ein Mann .. auf seinen Acker sät … der Samen keimt und wächst, und der Mann weiß nicht, wie.“
Ein schönes Gleichnis, aber was hat das mit mir zu tun?
Ich möchte zunächst noch einen anderen Gedanken hineinbringen.
Papst Franziskus schreibt in seinem neusten Apostolischen Schreiben [„Gaudete et exsultate“ d. h. „Freut euch und jubelt“]:
„Wie man Christus nicht verstehen kann ohne das Reich, das zu bringen er gekommen war, so ist auch [die] .. eigene Sendung untrennbar mit dem Aufbau jenes Reiches verbunden.“
Christus und das Reich Gottes; meine Sendung und der Aufbau des Reiches Gottes...
Und der Papst weiter:
„Für einen Christen ist es unmöglich, an seine eigene Sendung ... zu denken, ohne sie als einen Weg der Heiligkeit zu begreifen.“
Ein Weg der Heiligkeit! Ich soll also meinem Glaubensweg als Weg der Heiligkeit verstehen? Ist dieser Anspruch nicht viel zu hoch?
Die wenigsten von uns sind doch wie der heiliger Franziskus, der mit seinem bisherigen Leben bricht und es ganz aufgibt. Oder wie eine Mutter Theresa, die sich ganz den Ärmsten der Armen hingibt. Oder wie ein Bruder Klaus, der alles verlässt.
Das Wenige, das ich selbst tun kann, hat das überhaupt eine Chance in meinem Alltag? Gegen den Stress bei der Arbeit, die Streitigkeiten und die Unruhe, die vielen Verpflichtungen, die mir oft genug den Atem rauben…
Und doch schreibt Papst Franziskus:
„Um heilig zu sein, muss man nicht unbedingt Bischof, Priester, Ordensmann oder Ordensfrau sein. Wir sind alle berufen, heilig zu sein, indem wir in der Liebe leben und im täglichen Tun unser persönliches Zeugnis ablegen, jeder an dem Platz, an dem er sich befindet.“
Und dann schreibt er: „Diese Heiligkeit, zu der der Herr dich ruft, wächst und wächst durch kleine Gesten.“ Es sind die kleinen Details, die so wichtig sind… der Papst an anderer Stelle.
Und jetzt sind wir wieder beim Evangelium, denn das ist es: Unser Weg der Heiligkeit ist der Weg des Senfkorns, der Weg des kleinsten Samenkorns.
Heilig zu sein, das heißt eben nicht, besonders fromm zu sein und andächtig, alles aufzugeben und hinter sich zu lassen.
Unser Weg der Heiligkeit ist der Weg der kleinen Gesten, der kleinen Details auf unserem Lebensweg. Das meint, hier ein gutes Wort, ein freundlicher Gruß, dort ein aufmerksames Ohr, eine helfende Hand. Beim Straßenverkehr mal auf das eigene Vorrecht zu verzichten, dem Anderen mal den Vortritt zu lassen. Einer Unachtsamkeit mit einem freundlichen Wort entgegenzukommen, das Gerede nicht mitzumachen, sondern einen Fehler des Anderen großherzig zu übersehen, ja, zu lächeln, Respekt und Achtsamkeit…
Unser Weg der Heiligkeit ist ein Weg der kleinen Schritte - und ja, oft genug auch: 1 Schritt vor und 2 zurück.
Unser Weg der Heiligkeit ist aber auch der Weg der selbstwachsenden Saat.
Bei all unserer Schwäche, unserer Bequemlichkeit und Trägheit, unserem Zorn und Verärgerung.
Wenn wir, wie der Papst schreibt, nur den Weg der Liebe nicht verlassen. Das heißt auch, geduldig mit dem Nächsten zu sein. Aber nicht nur mit ihm, sondern auch geduldig mit mir selbst. Und manchmal auch geduldig mit Gott.
So wächst die Heiligkeit in meinem Herzen, in meinem Leben. So wächst Christus in meinem Leben. Ja, so gehe ich meinen Weg der Heiligkeit.
Deshalb ist dieses Evangelium wirklich eine frohe Botschaft, eine Botschaft, die erleichtert und befreit.
Denn ein Samenkorn, das klein ist wie ein Senfkorn, hat Platz auch in meinem Herzen. Einem Herz, das so übervoll von Sorge ist, auch von Bequemlichkeit und Schwäche. Aber dieses Samenkorn wächst darin, ich muss es nur wachsen lassen.
Ein Samenkorn, das klein ist wie ein Senfkorn, hat auch Platz zwischen uns, auch in unserer so getriebenen Zeit, unserer so lauten Zeit, mit einem Lärm, der alles Feine und Zarte zu ersticken droht. Aber so wächst zwischen uns und in uns das Reich Gottes.
Ja, das Evangelium ist ein Evangelium der Hoffnung und der Zuversicht.
Denn unser Weg der Heiligkeit ist eben der Weg des kleinsten Samenkorns und der selbstwachsenden Saat. Das ist unser Trost und unsere Kraft, die uns uns durch all unsere Schwächen hindurchtragen kann, durch unseren Alltag hindurch.
Gott sät aus in unsere Herzen, damit in kleinen Gesten, in einfachen Worten, in Aufmerksamkeit und Achtsamkeit das Reich Gottes wachse. Und Gott wird am Ende ernten, nicht als der strenge Richter, sondern als der liebende Vater, der vollendet, was wir auf unserem Weg begonnen haben, und der zum Ziel führt in seine Fülle des Lebens.