"Herr, sollen wir befehlen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie vernichtet?"
Das kann ja nur von diesen beiden kommen, von den Söhnen des Zebedäus, Jakobus und Johannes: eben von den Donnersöhnen, wie sie bei Markus auch noch genannt werden (Mk 3,17) .
Uns geht uns ja manchmal auch so: oh Herr, lass Feuer vom Himmel regnen...
Aber das ist ernst damals. Das zeigt auch die Reaktion Jesu, dass er sie zurecht weist.
Dabei wissen die beiden Zebedäus-Söhne sehr wohl, dass nun das Ende kommen würde. Denn Jesus zieht hinauf nach Jerusalem; ja, und sendet seine Boten vor sich her, Vorboten der messianischen Zeit.
Aber die beiden täuschen sich. Gott ist anders. Sie täuschen sich in Jesus. Ja, Jesus ist der Messias. Er ist aber nicht der strahlende Befreier, der die Feinde hinwegfegen wird. Nein, er ist der Messias, der in den Tod gehen wird.
Und auch hier: Ja, es wird Feuer vom Himmel regnen. Aber nicht ein Feuer der Vernichtung, sondern das Feuer der Entscheidung,.
Das wird dann in den folgenden Versen klar. Deswegen gehören diese beiden Abschnitte auch zusammen. Namen werden dabei nicht genannt, es geht um das Beispielhafte.
Und dazwischen ragt dann dieser empörende Satz Jesu heraus, der das Ganze zuspitzt:
"Lass die Toten ihre Toten begraben!"
Da will also jemand noch heimgehen und seinen toten Vater begraben. Abschied nehmen, ein letztes Mal noch seine Liebe zu seinem Vater zeigen:
"Lass mich zuerst heimgehen und meinen Vater begraben."
"Nein, lass die Toten ihre Toten begraben!"
Das ist nicht nur für uns heute empörend. Um wie viel mehr noch, wenn wir dies mit den Ohren der Zeitgenossen Jesu hören. Den eigenen Vater, die eigenen Eltern zu begraben, das gehört nicht einfach nur zu den Pflichten der Kinder. Es ist ein Gebot Gottes, eines der zentralen 10 Gebote, denn auch das ist gemeint, wenn es dort heißt: "Ehre deinen Vater und deine Mutter." (Ex 20,12a).
Noch mehr: wer dieses Gebot missachtet, missachtet auch die Verheißung, die damit verbunden ist. Denn es heißt weiter:
"Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt." (Ex 20,12).
Jesus setzt die Gebote Gottes und die Verheißung aufs Spiel!
Aber: der einzige Maßstab ist eben Jesus selbst. An ihm und mit ihm entscheidet sich alles. Sein Weg in den Tod und in die Auferstehung überbietet eben alles, auch die 10 Gebote, auch die Verheißung.
Es ist dieselbe Linie, wenn Jesus in der Bergpredigt sagt: "Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist ... ich aber sage euch..." (Mt 5,21 ff)
Und es ist dieselbe Linie, wenn der große Kirchenlehrer Augustinus 300 Jahre später sagen wird: Liebe, und tue, was du willst.
Tue, was du willst? Ja, wenn und weil Jesus der einzige Maßstab ist.
Dieser Jesus nun fordert die unbedingte Nachfolge. Alles Halbgare wird weggebrannt im Feuer der Entscheidung. Dieser Jesus ruft auch heute jedem zu:
"Komm und folge mir nach, bedingungslos."
Was also hindert mich daran?
Das kann der Alltag sein, der mich überwältigt,
der mir keine Luft mehr lässt zum Atmen,
oder ein Alltag, in dem ich mich so gut eingerichtet habe,
dass mich nichts mehr überraschen kann.
Alles läuft wie am Schnürchen.
Ist dann noch Platz für etwas ganz anderes? Überraschendes? Für Gott, den ganz Anderen?
Was hindert mich daran?
Das kann auch eine Wunde sein, eine Verletzung der Seele, die mich nicht mehr loslässt,
ein böses Wort, eine böse Tat.
Immer wieder muss ich darauf blicken, im Zorn oder in Selbstmitleid,
immer wieder hält sie mich gefangen
Kann ich da noch nach vorn schauen, wo Gott, der Lebendige auf mich wartet?
Was hindert mich daran?
Das kann schließlich das Tote in mir sein,
das Tote, das wie ein Stein auf meinem Herzen liegt
wie ein Stein in meiner Seele
Abgestorben und verhärtet.
Beim Propheten Ezechiel verspricht uns Gott:
"Ich nehme das Herz von Stein aus ihrer Brust und gebe ihnen ein Herz von Fleisch."
"Lass die Toten ihre Toten begraben. Ich will ja, dass du lebst."
So spricht der Gott, der schon längst bei mir ist,
noch bevor ich den ersten Schritt der Nachfolge wage.
"Du komm und folge mir nach."
So spricht der Gott, der ganz Andere, der mich immer wieder überrascht
mich, der ich mich allzu sehr in dieser Welt und in meinem Alltag eingerichtet habe.
So spricht der Gott, der mir meinen Blick immer wieder nach vorne ausrichtet, auf das Leben hin,
mir, der ich nicht loskomme von Altem, Verhärtetem, Abgestorbenem.
So spricht der Gott, der mich lebendig macht, meine Wunden und Verletzungen heilend berührt und das, was tot in mir ist.
Denn so spricht der Herr, unser Gott:
"Du, komm und folge mir nach, ins Leben. Jetzt."