"In dieser Stunde rief Jesus, vom Heiligen Geist erfüllt, voll Freude aus", so heißt es im heutigen Evangelium.
Wissen wir, welche Stunde damit gemeint ist?
Ja, das wird in den Versen vorher deutlich, die wir heute nicht gehört haben. Jesus hatte seine Jünger losgeschickt, seine Botschaft zu verkünden. Von 72 Jüngern ist die Rede. „72“, das ist eine symbolische Zahl. So wie die Zahl 12 für das Volk Israel, die Stämme Israels steht, so steht die „72“ für die Völker dieser Erde. Das heißt, dass hier beginnt, was an Pfingsten dann öffentlich wird: die Botschaft Jesu wird in die ganze Welt hinausgerufen, hinausgetragen.
Und Jesus jubelt auf, als die Jünger zurückkehren und von ihrem Erfolg berichten. Ja, die Botschaft Jesu kommt an.
Aber was ist diese Botschaft Jesu, die die Jünger verkünden? Das haben wir eben gehört. Es geht um die Offenbarung des Vaters durch den Sohn und damit auch um die Offenbarung des Sohnes selbst. Oder wie es im Evangelium heißt: "... niemand weiß, wer der Sohn ist, nur der Vater,
und niemand weiß, wer der Vater ist, nur der Sohn
und der, dem es der Sohn offenbaren will.
Was ist mit „Vater“ und „Sohn“ gemeint? Sicher nicht, dass Gott ein Kind hätte, so wie wir Kinder haben, Söhne und Töchter. Oder dass Gott als Vater einen Menschen als Sohn angenommen hätte, ihn also adoptiert hätte, etwa Jesus bei der Taufe im Jordan. Nein, „Sohn“, „Vater“, das sind Bilder, Chiffren, die wir erst noch aufschlüsseln müssen.
Wie können wir diese Chiffren, diese Bilder aufschlüsseln?
Das wird deutlich, wenn wir das ganze Neue Testament über die heutige Lesung hinaus in den Blick nehmen:
Es geht um eine doppelte Erfahrung.
Einmal: Die Menschen, die Jesus begegnen, die Jünger, die ihm nachfolgen… diese Menschen erfahren, dass hier mit Jesus mehr ist als ein guter Mensch, mehr als ein herausragender Mensch. Ja, denn hier muss Gott selbst zugegen sein, Gott mit seiner Menschenfreundlichkeit, mit seiner Liebe.
Gott, der in Jesus Christus Mensch wird, um den Kranken zu berühren und zu heilen. Um den Trauernden in die Arme zu nehmen und zu trösten. Ja, um den Verlorenen zu finden.
Aber zugleich spricht dieser Jesus vom Vater, „Abba“, dem er sich anvertraut und in dessen Armen er sich hineingeben kann. Und er lädt uns ein, es ihm gleich zu tun. Denn auch uns stehen die Arme des Vaters weit offen. Ja, er ist eben der Sohn, der den liebenden Vater offenbart und mit dem Vater auch sich selbst.
Wir haben eine weitere Chiffre, ein weiteres Bild, das diese Erfahrung an Jesus Christus auszudrücken versucht: ich meine das (spröde) Wort „Dreieinigkeit“.
Auch wenn darin die Zahl „Drei“ steckt, dann meint es eben nicht, wie etwa Goethe meinte, wir müssten glauben, dass drei gleich eins ist und eins gleich drei. Es ist auch keine „heilige Zählerei“ gemeint: „1-2-3“ und schon wüssten wir, wer unser Gott ist.
Nein, darum geht es eben nicht.
Auch für uns ist Gott – natürlich - wahrhaft der Eine, der Einzige, das eine unergründliche Du, das über all unser Denken und Wollen hinausgeht.
Gott ist aber auch wahrhaft der Dreieine, weil er der lebendige Gott ist, der uns aus Liebe als Mensch Jesus Christus begegnet - auch heute in jedem Menschen, der uns dadurch zum Nächsten wird, und uns begegnet ganz besonders im Brot der Eucharistie, Gott der sich als Nahrung hingibt für unseren Glaubens- und Lebensweg.
Das Wort „Dreieinigkeit“ ist ein Bild, eine Chiffre für eben diese die Erfahrung, diese Begegnung. Jesus Christus, Mensch unter uns Menschen, wahrhaft Mensch und eben wahrhaft Gott, zeigt uns als Sohn, wer und wie dieser verborgene Vater ist, Gott, ganz Liebe, ganz Menschenfreundlichkeit.
Um das erfahren zu können, dies glauben zu können, muss Gott eben selbst dieses Erfahren und Glauben in uns ermöglichen, uns Herz und Verstand für diese Erfahrung und Begegnung öffnen. Gott, den wir Heiliger Geist nennen.
Denn:
"... niemand weiß, wer der Sohn ist, nur der Vater,
und niemand weiß, wer der Vater ist, nur der Sohn
und der, dem es der Sohn offenbaren will.
Dieses unausschöpfliche Geheimnis kann nur Gott selbst offenbaren – wie hätte ein Mensch auch darauf kommen können? Glauben heißt deshalb auch Staunen, Staunen vor der überwältigenden Größe Gottes.
Ja, denn dieser Gott, unser Gott, ist immer größer als alles, was wir zu wissen glauben und wissen können.
Unser Gott ist der lebendige Gott über uns, Quelle allen Lebens, Anfang und Ende, Alpha und Omega.
Er ist Gott mit uns, als Jesus Christus, das menschgewordene Antlitz unseres Gottes, Mensch unter uns Menschen, wahrhaft Mensch und wahrhaft Gott.
Und er ist Gott in uns, der uns Hoffnung und Stärke gibt, in uns selbst zur Quelle wird und zur Fülle und uns dieses Geheimnis erahnen lässt. Gott, der uns hineinnimmt in seine Liebe.
Oder ganz kurz zusammengefasst:
Gott, das ist der Vater, der Sohn und der Heilige Geist
Amen