Lesungstext Auslegung zu Lk 10,21-24
(Wortgottesdienst an Pfingstmontag 2015)

Wie oft hat Jesus mit den Schriftkundigen seiner Zeit gesprochen, den Weisen und Klugen, wie es im heutigen Evangelium heißt. Doch diese können ihren Blick nicht heben von ihren Gesetzen und Geboten, können nicht loslassen, was sie so fest zu wissen meinen. Fest zu wissen meinen, wer denn dieser Gott sei – in der Schrift steht doch alles über ihn. Fest zu wissen meinen, was dieser Gott von den Menschen will – steht das nicht alles in den Gesetzen und Geboten? Und so bleiben sie blind und sehen nicht, was sich vor ihren Augen abspielt.
Offenbar wird es dagegen den Unmündigen, denen, die auf ihr Herz hören, deren Herz offen bleibt. Offen für die Begegnung mit Gott, offen für das Überraschende von Gott.

Und was wird den Unmündigen offenbar? Was ist das, was die Jünger sehen und was Propheten und Könige vor ihnen so sehr sehen wollten?
Im Evangelium hören wir: „Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand weiß, wer der Sohn ist, nur der Vater, und niemand weiß, wer der Vater ist, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will.“
Das klingt ganz stark nach dem Evangelisten Johannes, aber es steht hier, im Lukas-Evangelium.
Es geht also darum: wer der Sohn ist und wer der Vater.
Um nichts Geringeres geht es also als um die Frage: Wer ist dieser Gott?
Das ist die Frage, bei der die Klugen und Weisen nicht mehr mitkönnen.

Wer also ist dieser Gott?
Was an ihm bleibt der menschlichen Weisheit und Klugheit verborgen? Anders gefragt: wo kann der Mensch mit all seinem Wissen nicht mehr mit?
Paulus wird es später in einem seiner Briefe "Torheit" nennen, viele unserer heutigen Zeitgenossen sind da direkter und unhöflicher: sie nennen es „Dummheit“.
Was also ist dumm daran?
Nun, dass unser Gott ein Gott ist, der Mensch wird, weil er uns Menschen so sehr liebt, dass er lieber selbst in den Tod geht – für uns – als dass einer von uns im Tod verloren geht.

Anders ausgedrückt: Gott geht uns nach, als Mensch unter uns Menschen, geht uns nach bis in unsere Verlorenheit hinein. Bis dorthin, wo wir rufen: "Mein Gott, warum hast du mich verlassen" und vielleicht nicht einmal mehr das. Bis dorthin geht unser Gott, Mensch geworden, damit wir nicht alleine bleiben und verloren in unserer Gottverlassenheit und Gottverlorenheit.

Das ist, was die Jünger an Jesus erkennen, an seiner Botschaft und an seinem Leben.
Durchaus mühsam und immer wieder scheiternd, denn auch die Jünger verstehen es lange nicht... Was nicht?
Eben, dass sich an Jesus mehr zeigt als ein Lehrer und ein Prophet, der wieder zurechtrückt, was verschüttet war unter vielen Gesetzen und Geboten.
Jesus ist mehr als ein kundiger, gottesfürchtiger Mensch, der die Liebe Gottes in besonderer Weise, in ganz eigener Vollmacht verkündigt und vorlebt.
Ja, Jesus ist mehr als ein guter und liebevoller Mensch, der für die Sache Gottes und für seine Freunde in den Tod geht.
Mehr als ein Mensch? Ja, hier muss Gott selbst zugegen sein. Hier ist eben der Sohn, dem der Vater alles übergeben hat – und der somit auch den Vater selbst offenbart, wie es im Evangelium heißt.

Und das kann nur Gott selbst offenbaren, weil es eben über alle menschliche Klugheit hinausgeht.
„... dem es der Sohn offenbaren will ...“ - wie es im Evangelium heißt.
So ist denn nicht nur Jesus vom Geist erfüllt, die Jünger selbst sind es auch, ja, müssen es sein, um diesen Gott erkennen und dann auch bekennen zu können.
Pfingsten führt – so schmerzhaft es auch sein mag – durch das Kreuz hindurch. Derselbe Gott, der als „Gottesgeist“, als Heiliger Geist die Jünger erfüllt und ihnen Freude und Mut zum Bekenntnis schenkt - derselbe Gott ist es, der sich um der Liebe zu uns Menschen willen am Kreuz töten lässt.

Das ist damit der Kern auch dessen, was wir Dreieinigkeit nennen. „Dreieinigkeit“, was für ein sperriges Wort, ist der Versuch, in ein Wort zu fassen, was die Jünger gesehen und gehört, erlebt und erfahren haben. Und was auch wir selbst erleben und erfahren. Nämlich:

Gott, den wir Vater nennen, ist, war und bleibt der geheimnisvolle Ursprung allen Seins und Lebens, vor dem wir so oft nur verstummen können. ER ist die Quelle, aus der wir kommen und dankbar schöpfen und die Zukunft, auf die hin wir hoffnungsvoll leben.

Gott, den wir als Sohn bekennen, wurde um unsertwillen Mensch, lebte als Jesus von Nazareth unter uns und hat mit uns gelebt. Wurde ermordet – ja, ER ging dorthin, wo wir Opfer sind und auch Täter.

Und schließlich ist Gott auch der, der uns als Heiliger Geist diese Liebe erst erkennen lässt – quasi als Herz in unserem Herz –, denn das geht weit über unser menschliches Erkennen und Wissen hinaus. ER ist es, der – wie es in der Lesung geheißen hat -, die Augen unserer Herzen erleuchtet, als Geist der Weisheit und der Offenbarung.
Denn „niemand weiß, wer der Sohn ist, nur der Vater, und niemand weiß, wer der Vater ist, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will.“

Wenn Gott selbst in unseren Herzen spricht, von seiner Liebe zu uns, die ihn dazu trieb, bei uns und mit uns Mensch zu sein, ER, der Ursprung von allem ist – dann sind wir selbst schon hineingenommen in seine Liebe.

Gott, der drei-eine, das ist dann:
Der Glaube in uns, die Liebe mit uns und die Hoffnung vor uns. Amen.

© Martin Kornelius