Lesungstext Auslegung zu Joh 6,60-69
(21. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B, 2018)

"Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens."
Ja, das ist wirklich gut und recht gesprochen von Petrus.

Aber was ist Petrus wohl durch den Kopf gegangen, als er sah, wie viele der Jünger sich von Jesus abwandten? Sich empört und verärgert von Jesus zurückzogen?
"Was er sagt, ist unerträglich. Wer kann das anhören?", so diese Jünger.
Woran haben denn diese Jünger Anstoß genommen? Worüber empörten sie sich?
Das berichtet Johannes in den Kapiteln vor dem heutigen Evangelium, wir haben es die letzten Sonntage gehört. Jesus bezeichnet sich dort als das Brot des Lebens; er selbst gibt sich hin als "Speise, die für das ewige Leben bleibt".
"Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt," so Jesus, "hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag" (Joh 6,54)

Das eben verstehen diese (anderen) Jünger nicht, darüber empören sie sich. Und wie reagiert Jesus darauf? Fast ironisch erwidert er ihnen:
"Was werdet ihr [denn erst] sagen, wenn ihr den Menschensohn hinaufsteigen seht, dorthin, wo er vorher war?"
Noch ein Ärgernis, noch eine Zumutung draufgesetzt. Denn das wird nicht der triumphale Aufstieg eines mächtigen himmlischen Wesens sein, nichts von der Herrlichkeit eines siegreichen Messias, den das Volk Israel so sehnsüchtig erwartet.
Nein, dieser Aufstieg geht durch das Kreuz hindurch. Geschunden, gefoltert, ermordet wird Jesus. Ja, was werden die Menschen dann erst sagen? Was diese Jünger, die sich jetzt schon empören?

Ja, und Petrus? Wird denn Petrus das Ganze verstehen? Versteht er denn, dass der Weg Jesu ans Kreuz und in den Tod führen muss?
Nein, im Gegenteil, Petrus wird Jesus davon abhalten wollen, nach Jerusalem zu gehen, um dort zu sterben.
"Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen!" So wird Petrus darauf reagieren.
Und Jesus wird ihn scharf zurechtweisen:
"Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen." (Mt 16, 21-23)
Ja, Petrus versteht es also auch nicht. Und die anderen der Zwölf werden es ebenfalls nicht verstehen.

Ja, was ist jetzt aber anders bei Petrus und den Zwölf? Anders gegenüber den Jüngern, die sich – wie wir ja gehört haben – empört abwenden.
Sicher nicht, dass Petrus und die Zwölf die Gebote besser befolgt hätten. Oder ganz besonders fromm gewesen wären und so viel sicherer in ihrem Glauben.
Nein, die Lösung ist viel einfacher: Petrus bleibt bei Jesus, auch wenn er nicht alles versteht. Auch wenn ihm vieles rätselhaft bleibt. Er wird weiter mit Jesus gehen, auch hinauf nach Jerusalem, wo Jesus sterben wird.

Wie ist es bei uns? Nun, 2000 Jahre Kirche, das sind 2000 Jahre Mühe um diese Geheimnisse, Erklärungsversuche, Glaubenslehre. Verstehen wir also, was hier geschieht? Durchschauen wir denn das Geheimnis?
Nein, natürlich nicht.
Und doch sind wir hier. Halten auch wir unsere Unwissenheit aus, unsere Fragen und Zweifel - um hier an der Quelle bleiben zu können.
Denn hier geschieht ja, was Jesus sagte. Hier ist das ewige Brot, das vom Himmel kommt. Hier ist die Speise auf unserem Lebensweg, die Quelle all unserer Liebe und unseres Lebens.
Und wir glauben auch, dass er durch den Tod ging, um uns ins Leben zurückzuholen. Er ist es, der hinaufsteigt … und – ja – wir mit ihm, denn er ist in uns und wir in ihm. Das feiern wir nachher, wenn wir ihn im eucharistischen Brot aufnehmen, denn als feiernde und dankende Kirche sind wir sein Leib.

So wird der Heilige Gottes uns zum Heil. So gehören das Brot und das Kreuz zusammen. Sind zwei Seiten des einen Geheimnisses.

Ja, deshalb stimmt es auch für uns, was Petrus sagte: "Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens." Auch wenn wir es – wie Petrus – nicht immer verstehen.
Und so bleiben auch wir bei Jesus und lassen uns von ihm unsere Herzen bewegen. Folgen ihm nach, gehen mit ihm, wie Petrus, wie die Zwölf. Lassen hier - vor dem Geheimnis - das Herz vorangehen und den Verstand mit all seinen Fragen schweigen.

Ja, Herr, zu wem sollten wir sonst gehen? Denn du allein hast Worte des ewigen Lebens. Wir glauben und vertrauen dir – denn auch wir haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes, uns Menschen zum Heil.

© Martin Kornelius