Lesungstext Auslegung zu Joh 3,16-21
(Wortgottesdienst an Pfingstmontag 2015)

Beim ersten Satz schon bin ich gestolpert.
„Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab.“
Also hat Gott einen Sohn.
Haben dann doch die Stimmen Recht, die uns Christen vorwerfen, wir hätten den Glauben an den einen Gott aufgegeben? Ja, wir würden an drei Götter glauben? Der eine Gott und zwei weitere Götter? Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist?

Nein, natürlich nicht. Auch wir Christen glauben an den einen Gott. Darin sind wir uns einig mit unseren großen Schwesterreligionen, dem Judentum und dem Islam.
Um es kurz zu sagen:
Gott hat auch für uns keinen Sohn, aber er ist Sohn - und er ist Vater und Geist,  heiliger, unverfügbarer Geist.

Gott ist der Vater, der geheimnisvolle Ursprung und Quelle aller Liebe, allen Lebens.
Gott ist der Sohn, die Gabe des Vaters, das menschgewordene Antlitz der Liebe des Vaters und für uns auch der Weg zum Vater.
Und Gott ist der Geist, im Geist ist uns Gott ganz nahe, öffnet unser Herz und ermöglicht in uns, den Sohn empfangen zu können.

Schön und gut, werden die Kritiker sagen, aber ist es denn wirklich nötig, dass ihr Christen von dem drei-einen Gott redet? Denn natürlich kann Gott dem Menschen ja ganz nahe kommen, näher noch als die eigene Halsschlagader, wie es anschaulich im Koran heißt – aber müsst ihr deshalb von einem Heiligen Geist reden?
Auch war Jesus sicher ein herausragender Mensch, der ganz aus der Nähe zu Gott lebte und den Menschen in beeindruckender Weise Gott zeigte – aber müsst ihr Christen ihn deshalb zu einem Gott machen? Ihn als Gott erhöhen?

Nehmen wir die Kritik auf: Ist es denn wirklich nötig, dass wir Christen von dem drei-einen Gott sprechen?
Ja, es ist nötig. Weil wir das Leben und das Wirken Jesu ernst nehmen.

Denn die Menschen, und ganz besonders die Jünger erfahren an Jesus, dass hier eben mehr als ein Mensch ist.
"Mein Herr und mein Gott", spricht etwa Thomas, als er dem Auferstandenem begegnet. Hier ist Gott selbst zugegen; das Licht des Ursprungs, das - wie es Johannes in seinem Evangelium schreibt - in diese Welt gekommen ist. Licht vom Licht, wie wir bekennen.

Aber die Menschen erleben Jesus auch, wie er zum Vater betet, zu seinem und zu unserem Vater, wie es heißt. Der eins mit ihm ist und doch größer als er.

Wie können wir beides zusammenbringen?
Also dass wir zusammen mit Jesus zu dem liebenden Vater über uns beten können. Und dass wir an Jesus erfahren, dass mit ihm Gott selbst Mensch wurde. Damit wir in ihm der Liebe Gottes begegnen.

Wenn wir Jesus ernst nehmen, Gott ernst nehmen, dann erkennen wir an, dass Gott mehr ist, größer ist, als wir uns je hätten denken können:
Er schenkt uns nämlich nicht nur die Liebe als Erfüllung unseres Lebens - sondern ist selbst diese Liebe. Eben liebendes Ich und geliebtes Du in einem.
Gott verheißt uns nicht nur das Leben in Fülle - sondern ist selbst dieses Leben.
Lebendiger Gott als Ich und Du, als Gebender und Hingegebener und als die Gabe selbst.
Das drücken wir Christen mit diesem kantigen Wort aus: Gott ist drei-einig. Es ist wie eine Kurzformel unseres Glaubens für das Heil, das vom Vater kommt, uns in Jesus Christus begegnet und wir im Heiligen Geist empfangen.

So wird auch klarer, was es heißen soll, wenn wir von Gott als Liebe reden:
Denn was wäre Liebe ohne ein geliebtes Du?
Was wäre Teilnahme ohne den Anderen, dessen Freude oder Schmerz ich spüre.
Was wäre Freude, ohne dass ich dies teilen würde mit dem Anderen.
Um wie viel mehr muss dies für Gott gelten, sollte er denn weniger Liebe, Teilnahme und Freude sein als wir, seine Geschöpfe, geschaffen ihm zu Bilde?

Warum ist das wichtig?
Weil darin unser Heil liegt. Gott ist schon als er selbst Liebe und Leben, liebendes Ich und geliebtes Du. Und in diese Liebe können wir uns hineinnehmen lassen, durch den Sohn, das ewige Du der Liebe, und im Heiligen Geist, der ewigen Gabe der Liebe selbst. So werden wir selbst das geliebte Du Gottes - und für andere die Gabe der Liebe.
Dieselbe Bewegung der Liebe vom Vater zum Sohn schafft diese Welt und erlöst sie, denn Ziel dieser Welt ist schon immer, dass Gott alles in allem ist.

Wir glauben also an den drei-einen Gott, weil wir an den lebendigen Gott glauben, den liebenden Gott.

Und wir selbst? Was heißt das für uns?
Im Bilde des drei-einen Gottes geschaffen
und als Ziel die Erfüllung im drei-einen Gott
ist klar, was auch wir sein dürfen, sein können und sein sollen:
Ein liebendes Ich und ein geliebtes Du, ein Geschenk der Liebe füreinander und miteinander.

(im Wortgottesdienst am 15. Mai 2016)

© Martin Kornelius