Lesungstext Auslegung zu Joh 3,16-21
(Wortgottesdienst an Pfingstmontag 2013)

Wie schnell sich doch so ein Gespräch entwickeln kann. Das Evangelium, das wir eben gehört haben, ist Teil eines solchen Gespräches. Nikodemus, ein jüdischer Gelehrter, tritt an Jesus heran,spricht ihn an mit der harmlos klingenden Feststellung: "Rabbi, wir wissen, du bist ein Lehrer, der von Gott gekommen ist".
So spricht Nikodemus wie ein Kollege zu einem anderen. Denn auch Nikodemus ist ein Gelehrter der Schrift.
Doch schnell geht es in diesem Gespräch dann um viel mehr, es geht um Gut und Böse, um Licht und Finsternis; es geht um Leben und Tod. Das Gespräch bekommt jetzt etwas Drängendes, Unbedingtes, das wir eben bis heute aus diesem Evangelium heraushören können.
Johannes, der Evangelist macht das gerne. Aus scheinbar ganz harmlosen Situationen, Alltagssituationen, lässt er plötzlich aufscheinen, um was es letztlich geht in unserem Leben, wie wichtig jeder Augenblick unseres Lebens sein kann.
Ob bei einer Hochzeitsfeier, bei der der Wein ausgeht – Sie kennen die Erzählung von der Hochzeit zu Kana -, oder an einem Brunnen, wo Jesus sich von einer Frau eine Schöpfkelle Wasser geben lässt. Oder eben hier, im Gespräch mit Nikodemus.

"... aufgefahren in den Himmel
er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters
von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten ..."

So bekennen wir miteinander unseren Glauben.
Das ist die uns bekannte Vorstellung vom Reich Gottes und vom jüngsten Gericht. Am Ende aller Tage wird das Gericht über diese Welt hereinbrechen.

Doch dass das Reich Gottes jetzt schon mitten unter uns angebrochen ist, dass damit Jesus Christus, der Herr, schon mitten unter uns gegenwärtig ist – das kennen wir und das glauben wir.
Johannes fügt dem noch etwas Eigenes hinzu.
Auch das Gericht Gottes bricht nicht einfach erst am Ende der Zeiten über diese Welt herein. Nein, das Gericht Gottes beginnt schon mit der Ankunft Jesu in dieser Welt - und es ereignet sich immer noch, jetzt, auch in diesem Augenblick .
Das Reich Gottes ist für Johannes zugleich das Gericht Gottes. Denn an Jesus scheiden sich die Geister, mehr noch, an ihm ent-scheidet sich Gut und Böse, an ihm unter-scheidet sich Licht und Finsternis, Leben und Tod. Deshalb dieser drängende Ton, das Richtige zu tun, diese Dringlichkeit im Evangelium. Das Gericht findet für uns Menschen in jedem Augenblick statt, da wir Jesus Christus begegnen, in jedem Augenblick und für jeden einzelnen von uns.

Und doch: Jesus Christus kam ja nicht in die Welt, um diese zu richten, sondern um sie zu retten. So ist jeder, der an ihn glaubt, der ihm glaubt und vertraut, auch schon gerettet. Und kommt zum Licht, wie Johannes schreibt.
Und wer ihm nicht glaubt und vertraut? Der bleibt in der Finsternis.

Nicht die großen Worte, nein, es ist der Augenblick, der zählt. In jedem Augenblick bin ich gerufen, vom IHM ins Licht gerufen.
Gerufen, eben nicht im Finstern zu bleiben.
Das heißt: Er, der am Anfang von Allem rief "Es werde",
Er, durch dessen Wort dieser riesige Kosmos ins Dasein kam, mit seinen unzähligen Sonnen und Welten,
Er spricht auch zu mir in diesem Augenblick: "Ich will, dass du lebst".
Und ich, was tue ich?
An mir ist es, diesem Ruf zu antworten und damit Licht und Leben zu ergreifen, das er mir zuspricht.
Vertrauen zu fassen in den, der mich ruft. Und in dem, was ich tue, dieses Licht und Leben aufscheinen zu lassen, das Er mir zusagt.
An dem Vergangenen ändere ich nichts mehr, das Zukünftige liegt – bei allem Planen und Wollen – nicht in meinen Händen. Aber dieser Augenblick ist mein und das, was ich jetzt tue und wem ich jetzt vertraue.
Und mit diesem Augenblick kann der mein sein, der Zeit und Ewigkeit erschaffen hat. Oder wie der Dichter Andreas Gryphius es ausdrückt:

"Mein sind die Jahre nicht, die mir die Zeit genommen;
mein sind die Jahre nicht, die etwa mögen kommen;
Der Augenblick ist mein, und nehm ich den ich Acht,
so ist der mein, der Zeit und Ewigkeit gemacht."

Ja, so sehr liebt Gott diese Welt, liebt uns Menschen, dass er in diese Welt gekommen ist, uns zu retten. Und wenn wir IHN in diesem Augenblick ergreifen, und in jedem Augenblick, der diesem folgt, so bleiben wir in seinem Licht und in seiner Wahrheit.
Auf dass wir leben.

© Martin Kornelius