Sind wir alleingelassen in dieser Welt?
Das ist ein Grundthema in den sogenannten Abschiedsreden Jesu, von denen wir heute einen Teil gehört haben.
Worum geht es?
Jesus verlässt seine Jünger. Er kehrt heim zu seinem Vater und lässt die Jünger zurück in dieser Welt; in einer Welt, die Ihnen auch feindlich gegenübersteht und in der sie verfolgt werden.
Was soll nun also aus den Jüngern werden? Und was aus der Botschaft Jesu?
Sind die Jünger also alleingelassen in dieser Welt?
Nein. Denn Jesus wird ihnen einen anderen Beistand schicken; den Geist Gottes. So wie er, Jesus, die Jünger zu seiner Zeit begleitet hat, so wird der neue Beistand, der Geist Gottes, die Jünger nach seinem Fortgehen begleiten.
Ja, mehr noch. Der Geist Gottes wird von ihm, Jesus, Zeugnis ablegen und auch den Jünger helfen, selbst Zeugnis geben zu können.
Dieser Geist Gottes wird die Botschaft Jesu weiter erschließen, das, was die Jünger jetzt noch nicht verstehen können, es nicht „tragen“ können, wie es heißt.
Denn er ist auch der Geist der Wahrheit – der Wahrheit, die es immer wieder neu zu entdecken gilt.
Der Weg Jesu bricht also mit seinem Fortgehen nicht ab, sondern wird durch den Geist Gottes weitergeführt.
Was heißt das?
Ein beeindruckendes Zeugnis, was das heißt, haben wir in der Lesung aus der Apostelgeschichte gehört.
Als Cornelius, ein römischer Hauptmann, seine Freunde und Verwandten, also Heiden, von Petrus die Botschaft Jesu hören wollen, sagt dieser Petrus – wir haben es in der Lesung gehört:
„Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist."
Und als diese Heiden dann auch noch in Zungen zu reden beginnen und Gott loben, wiederholt sich das Wunder von Pfingsten. Noch deutlicher kann der Geist Gottes ja kaum wirken. Und so ordnet Petrus denn auch an, dass Cornelius und die Seinen getauft werden – und die junge Urgemeinde in Jerusalem sich damit für alle Menschen, Juden wie Heiden, öffnet.
Dass dieser Schritt nicht einfach war, können wir zwischen den Zeilen der Lesung heraushören. Heißt es doch über die Begleiter des Petrus:
„Die gläubig gewordenen Juden, die mit Petrus gekommen waren, konnten es nicht fassen.“
Und aus den Briefen des Apostels Paulus wissen wir denn auch, wie heftig die junge Kirche tatsächlich um diesen Weg gerungen hat. Es gab durchaus Streit und harte Worte.
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Jede Zeit hat ihre eigenen Anforderungen und muss die Botschaft Jesu neu für sich entdecken. Jede Zeit muss dem Anruf des Geistes Gottes neu gerecht werden, ja, die Wahrheit Gottes neu erschließen.
Das war in der Urgemeinde so und es ist auch heute so.
Der Weg Jesu muss immer wieder neu begangen werden, das kann keine Generation der anderen abnehmen.
Schauen wir auf unsere heutige Kirche, auf unsere Gemeinde.
Es ist uns selbstverständlich geworden, vom „Geist Gottes“ oder vom „Heiligen Geist“ zu reden. Wir singen ihm Lieder, feiern ihn zu Pfingsten – und segnen: im Namen des Vaters, des Sohnes und - eben des Heiligen Geistes.
Aber wie ist das? Spüren wir als Gemeinde noch jene Unruhe, in die uns der Geist versetzen will? Die Unruhe, den Weg Jesu immer wieder neu zu suchen und zu gehen? Hören wir ihn, den Geist Gottes, aus den vielfältigen und auch sehr lauten Stimmen unserer Zeit heraus?
Ja.
Wo immer Menschen aus unserer Gemeinde sich für andere engagieren, die Not anderer erkennen und ihnen helfen – da erschließen sie neu den Weg Jesu, da wirkt der Geist Gottes.
“Ich war fremd … und ihr habt mich aufgenommen.“ So sagt es Jesus im Matthäus-Evangelium.
Wo wir Flüchtlinge aufnehmen, ihnen Schutz und Hilfe geben – da wird der Hilferuf des Geistes gehört, wirkt der Geist mitten in unserer Gemeinde – und da wird der Weg Jesu auf neue Weise wieder entdeckt.
Auch wo wir zusammenkommen, um neue Formen des gemeinsamen Betens zu finden – führt uns der Geist über unsere oft selbst gesetzten Grenzen hinaus. Erschließen wir - um noch ein anderes Bild zu verwenden -, erschließen wir neu die Brunnen lebendigen Wassers, die in jedem Gottesdienst verborgen sind.
Und wo wir Familien und Kinder neu in den Blick nehmen, ihnen helfen, den Weg des Glaubens zu gehen, Heimat zu finden im Glauben - auch hier führt uns der Geist auf seine neuen Wege – die die Wege Jesu sind.
Sind wir also alleingelassen in dieser Welt?
Nein. Wie die junge Johannes-Gemeinde damals vor 1.900 Jahren sind auch wir dazu gerufen, ja berufen, eine geistbewegte Gemeinde zu sein, uns vom Geist Gottes auf immer neue Wege führen zu lassen und damit den Weg Jesu immer wieder neu zu erschließen.
Dass dies gelingt, wenn wir als Gemeinde miteinander und füreinander unterwegs sind, das ist uns zugesagt, von Jesus und vom Geist Gottes.