Natürlich können wir diese Erscheinung auch umgekehrt, als Schrumpfung der Maßstäbe im Gravitationsfeld, deuten. So wie wir statt einer Zeitdehnung eine tatsächliche Uhrenverlangsamung annehmen könnten.
Tatsächlich steht hinter dieser Deutung zwei grundsätzlich verschiedene Positionen, die verschiedenen Phänomene
der Gravitation einzuordnen.
Nach der ersten Auffassung hat die Raumzeit bleibend eine einfache Struktur und die "Messgeräte" ändern sich.
Diese Struktur kann euklidisch genannt werden, da die euklidische Geometrie gültig bleibt (von den schrumpfenden
Maßstäbe abgesehen).
Nach der anderen Auffassung hat die Raumzeit eine allgemeinere Struktur (eine "riemannsche Struktur"), während
die "Messgeräte" unverändert bleiben. Diese allgemeinere Struktur zeigt sich dann in der Dehnung von Raum und
Zeit, angezeigt durch die diversen "Messgeräte".
Beide Auffassungen erklären widerspruchsfrei die Phänomene der Gravitation. Oft ist es darüber hinaus zweckmäßig, beide Auffassungen für Rechnungen heranzuziehen. So ist die Berechnung der Laufzeitverzögerung eines Radarsignals an der Sonne (Shapiro-Experiment) vorteilhafter mit schrumpfenden Maßstäben zu führen.
Allerdings haben die beiden Auffassungen einen je anderen Status der Einheitlichkeit. So kann die zweite Auffassung die unterschiedlichen Phänomene aus einer einzigen Grundannahme ableiten - aus der Dehnung der Raumzeit (bzw. aus den Einsteinschen Feldgleichungen, die diese Dehnung beschreiben). Mit der ersten Auffassung stehen Uhrenverlangsamung, Maßstabsänderungen, Bewegungen von Körpern usw. beziehungslos nebeneinander.